Minderhandwerk
Rz. 16
a) Minderhandwerkliche Tätigkeiten sind ohne Meisterbrief zulässig.
Das Minderhandwerk umfasst die nicht wesentlichen Tätigkeiten eines zulassungspflichtigen Handwerks, d.h. eine im Grundsatz zulassungspflichtige Tätigkeit kann auch ohne Zulassung ausgeübt werden, wenn es sich um eine nicht wesentliche Handwerkstätigkeit handelt.
Nicht wesentliche Tätigkeiten eines zulassungspflichtigen Handwerks sind nach
§ 1 Abs. 2 HwO@ insbesondere solche,
- die in bis zu drei Monaten erlernt werden können (Anlerntätigkeiten) oder
- die eine längere Anlernzeit benötigen, aber für das betreffende Handwerk nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist (einfache Tätigkeiten), d.h. einfache Tätigkeiten sind Arbeitsvorgänge, die nicht den Kernbereich eines Vollhandwerks betreffen.
Beispiel: Einem Tankstellenbesitzer ist gestattet, Handlungen an Kraftfahrzeugen im Rahmen der Unerheblichkeitsgrenze vorzunehmen, z.B. Ölwechsel.
b) Grundsätzlich ist möglich, aus den vielen Arbeitsvorgängen eines zulassungspflichtigen Handwerks nur einzelne Tätigkeiten für die eigene Berufstätigkeit auszuwählen, um so den Bereich des zulassungspflichtigen Handwerks zu verlassen. Dies ist aber nur möglich, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die dem Kernbereich des zulassungspflichtigen Handwerks nicht das essentielle Gepräge geben (einfache Tätigkeiten, die nicht den Kernbereich betreffen oder Tätigkeiten, die leicht anlernbar sind).
Ein Minderhandwerk liegt nicht vor, wenn sich aus der Gesamtbetrachtung ergibt, dass die Arbeitsvorgänge für ein zulassungspflichtiges Handwerk wesentlich sind oder die Arbeitsvorgänge dem Kernbereich des zulassungspflichtigen Handwerks das essentielle Gepräge geben
Beispiel: Streichen von Fassaden geprägt das Malerhandwerk (Malerberuf), Lackieren von Türen und Fenster prägen das Lackiererhandwerk (BVerwG, 09.04.2014 – 8 C 50.12, unter II.2b, Maler- und Lackierarbeiten). Streichen und Verputzen von Fassaden sowie Lackieren von Türens sind auch nicht nur Anlerntätigkeiten (siehe Handwerksmäßigkeit,
Rz.4).
Interessant ist auch die Entscheidung des BVerwG zur Ausübung des Dachdeckerberufs im stehenden Gewerbe ohne Meisterbrief, ohne Ausnahmebewilligung und ohne Eintragung in die Handwerksrolle, was das BVerwG ablehnt (BVerwG, 26.04.2005 - VG 9 K 2905/03, Rn. 18). Das Urteil enthält Ausführungen zur Verlegung von Dachziegeln und Dachsteinen (Rn. 22), zur Tätigkeit des Bauwerksabdichters (Rn. 24), zum Berufsbild des Baugeräteführers (Rn. 25), zum Beruf des Fassadenmonteurs (Rn. 26), zum Aufgabenspektrum des Trockenbaumonteurs (Rn. 27).
c) Das Minderhandwerk ist vom Nebenbetrieb zu unterscheiden. Ein handwerklicher Nebenbetrieb erfolgt in Verbindung mit einem anderen Betrieb, wobei der Nebenbetrieb eine untergeordnete Funktion gegenüber dem Hauptbetrieb hat. Sofern das Minderhandwerk in Verbindung mit einem anderen Betrieb betrieben wird, kann das Minderhandwerk kein handwerklicher Nebenbetrieb sein, da ein handwerklicher Nebenbetrieb eine zulassungspflichtige Tätigkeit umfasst (siehe Nebenbetriebe,
Rz.9).
d) Das Minderhandwerk und Art. 12 GG (Berufsfreiheit) stehen in Einklang (siehe Berufsfreiheit,
Rz.25).
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