Begriff und Bedeutung
Rz. 1
Die Erfüllung der Leistungspflicht ist in
§ 362 Abs. 1 BGB@ geregelt. Danach erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Mit Schuldverhältnis iSd 362 Abs. 1 BGB ist die Schuld des Schuldners bzw. die Forderung des Gläubigers gemeint und nicht das gesamte Rechtsverhältnis bzw. Vertragsverhältnis.
Beispiel: Durch die Bezahlung der monatlichen Miete erlischt die monatliche Mietschuld des Wohnungsmieters, aber nicht das Mietverhältnis oder der Mietvertrag. Durch Bezahlen des Kaufpreises, erlischt die Kaufpreisschuld (Geldschuld) und nicht der Kaufvertrag.
Erlischt die Schuld, dann kann das Erlöschen der Schuld nicht einseitig rückgängig gemacht werden (BGH, 27. Juni 2008 - V ZR 83/07, Tz. 26).
Mit der Leistung iSd
§ 362 Abs. 1 BGB@ ist nicht die Leistungshandlung, sondern der Leistungserfolg gemeint (vgl. BGH aaO Tz. 26). Die Schuld erlischt, wenn die geschuldete Leistung bewirkt, d.h. der geschuldete Leistungserfolg herbeigeführt ist.
Welcher Leistungserfolg herbeigeführt werden muss, ist abhängig vom Inhalt des Schuldverhältnisses.
Beispiel 1: Bei einer Geldschuld tritt Erfüllung mangels anderer Vereinbarung nur dann ein, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält; darf er den erhaltenen Betrag nicht behalten, so tritt der Leistungserfolg trotz Zahlung (Leistungshandlung) nicht ein (BGH aaO, Tz. 26). Beispiel 2: Beim Kaufvertrag schuldet der Verkäufer die Eigentumsübertragung der Sache (
§ 433 Abs. 1 BGB@). Beim Versendungskauf tritt die Erfüllung nicht bereits mit dem Absenden der verkauften Sache (Leistungshandlung) ein, sondern erst mit der Eigentumsübertragung. In beiden Fällen ist zwischen Leistungshandlung (Zahlung, Versendung) und Leistungserfolg (Erfüllung) zu unterscheiden.
Erfüllung (Leistungserfolg) tritt als Folge der tatsächlichen Leistungsbewirkung ein (Theorie der realen Leistungsbewirkung), ohne dass es einer entsprechenden Vereinbarung (Erfüllungsvertrag) bedarf (BGH, 21.04.2015 - XI ZR 234/12, Tz. 13). Kann die Leistung des Schuldners einem bestimmten Schuldverhältnis, dh. einer bestimmten Leistungspflicht, zugeordnet werden, bedarf es zum Erlöschen der Forderungen keiner Tilgungsbestimmung. Eine Tilgungsbestimmung kann aber erforderich sein, wenn der Schuldner aus mehreren Schuldverhältnissen mehrere Schulden hat und das vom Schuldner Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus mehreren Schuldverhältnissen ausreicht. In diesem Fall wird diejenige Schuld getilgt, die der Schuldner bestimmt (
§ 366 Abs. 1 BGB@) oder die sich aus der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge (
§ 366 Abs. 2 BGB@) ergibt (vgl. BAG, 17.01.2018, 5 AZR 69/17, Rn. 14). Ist eine Tilgungsbestimmung nicht erforderlich, ist grundsätzlich auch eine Erfüllung gegenüber einem Minderjährigen möglich. Zum Schutz der Minderjährigen können aber bestehende Leistungspflichten gegenüber einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen mangels Empfangszuständigkeit nicht ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters wirksam erfüllt werden (siehe Erfüllungsvoraussetzungen,
Rz.2).
Der Leistungserfolg ist das Ergebnis der Leistungshandlung. Die Leistungshandlung muss am richtigen Ort (z.B. Wohnsitz oder Betriebsort) und zur richtigen Zeit (z.B. Anlieferung innerhalb der Geschäftszeit) vorgenommen werden. Die Leistungshandlung geht dem Leistungserfolg voran (siehe
Leistungshandlung).
Die Erfüllung tritt ein, wenn der Schuldner dem Gläubiger die richtige Leistung, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit (während den Geschäftszeiten) in richtiger Beschaffenheit und Vollständigkeit erbringt.
Da durch die Erfüllung (Leistungsbewirkung) nicht das ganze Vertragsverhältnis (z.B. das Mietverhältnis) erlischt, können die Vertragsparteien nach dem Eintritt der Erfüllung vereinbaren, dass die ursprüngliche Schuld wiederaufleben soll. Eine solche Vereinbarung kann auch bereits im Vorfeld - mit Vertragsabschluss - und für den Fall getroffen werden, dass künftig eine Rückbuchung erfolgen soll (BGH, 22.1.2017 – VIII ZR 83/16, Tz. 28, PayPal-Käuferschutz).
Beispiel: Käufer bezahlt Geldschuld, die Geldschuld erlischt. Bei vereinbarter Rückbuchung des bezahlten Geldbetrags lebt die getilgte (bezahlte) Schuld wieder auf.
Dies ist möglich, da die Erfüllung auf das Bestehen des Vertragsverhältnisses (aus dem die Schuld des Schuldners entstanden ist) keine Auswirkung hat. Die Leistungsbewirkung hat lediglich Auswirkung auf die konkrete Schuld aus dem Vertragsverhältnis, z.B. Geldzahlung des Käufers hat Auswirkung auf die Kaufpreisschuld, die erlischt; der Kaufvertrag besteht fort und bildet die rechtliche Grundlage (Rechtsgrund) für den Leistungsaustausch.
Erbringt ein Dritter eine Zahlung für den Schuldner, dann kommt die Zahlung dem Schuldner nur zugute, wenn sie seine Verbindlichkeit erfüllen soll und mit einer entsprechenden Tilgungsbestimmung versehen ist (BGH, 27. 06. 2008 – V ZR 83/07, unter II.4b. aa).
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Rz. 2 >>